Biobasierte Farbe aus Cyanobakterien

 

Das Unternehmen Rhenocoll forscht im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten WIR!-Maßnahme Waste2Value zusammen mit der Hochschule Kaiserslautern an einer Naturfarbe, die aus Cyanobakterien gewonnen wird. Mit dem voraussichtlich ab Jahresmitte startenden Vorhaben soll der Grundstein für eine regionale Kreislaufwirtschaft auf Basis von biobasierten (Chemie-)Produkten gelegt werden.

Ziel des Verbundprojektes Blue2Value, als Teilvorhaben innerhalb von Waste2Value (https://w2v-rlp.de/), ist die Erforschung und Demonstration von Prozessen, womit sich aus cyanobakteriellen Reststoffen wertvolle Extraktstoffe für die Naturfarbstoffindustrie gewinnen lassen. Dabei sollen End-of-Life-Stoffe wie CO2 und Abfälle unter stofflicher Nutzung durch Photosynthese und Biomassenproduktion in neue Ausgangsprodukte wie die Naturfarbstoffe der Phycobilisomen (Phycocyanin, Phycoerythrin) umgewandelt werden. Durch die verbesserte Rohstoffnutzung sowie die zusätzlichen stofflichen Erlöse erhofft man sich, bestehende Kostennachteile biobasierter Produktbestandteile zu reduzieren.

Zur Erforschung und Formulierung einer abbaubaren wie gesundheitsunbedenklichen Naturfarbe auf Wasserbasis sollen zunächst als Proof of Concept definierbare wissenschaftliche und technische Arbeitsziele durch die enge Zusammenarbeit von Rhenocoll mit der Hochschule Kaiserslautern erreicht werden. Die Hochschule Kaiserslautern verfügt über das akademisch-experimentelle Know-how zur Gewinnung von Farbstoffen aus terrestrischen Algen, ist Initiator von Waste2Value und übernimmt in Person von Dr. Michael Lakatos die Koordination des Teilvorhabens Blue2Value.

Das im westpfälzischen Kusel/Konken angesiedelte Unternehmen Rhenocoll-Werk eK. (https://www.rhenocoll.de/) tritt im Projekt als industrieseitiger Kooperationspartner auf. Ausgehend von seiner jahrzehntelangen Expertise in der Formulierung von ökologischen, wasserbasierten Innenraum- und Fassadenfarben (Produkt: GesundFarbe) verfolgt es die Absicht, die eigene Wertschöpfung mit Naturfarbstoffen aus Cyanobakterien zu erweitern. So ist es angedacht, innovative Applikationen in hochpreisigen oder gesundheitsrelevanten Segmenten (z. B. ökologische Innenfarben, Kinderspielzeuge, Designermöbel) zu platzieren.

Um eine Naturfarbe von Grund auf neu zu entwickeln, sind diverse Faktoren wie Beständigkeit gegenüber Mikroorganismen, Bewitterung und UV-Strahlung zu bewerten. Daneben muss sich die Farbformulierung einer Werkstoff-Charakterisierung zur Evaluierung von mechanischen (Haftung, Abrieb, Elastizität), optischen (Farberscheinung, Deckkraft) und thermischen (isolierende oder temperierende Wirkungen) Spezifikationen unterziehen. Erwartungsgemäß nimmt das Trägersystem, in dem der Naturfarbstoff implementiert wird – vorgesehen sind Acrylat, naturbasierte Stärke und wasseremulgierte Öl-Alkyd-Emulsionen – einen großen Einfluss auf die resultierenden Eigenschaften. Schließlich hat sich die Naturfarbe in Applikationstests unter Beweis zu stellen.

Projektübergreifend wird eine wissenschaftliche Untersuchungsmethodik angewandt, die auf systematische Parameterstudien setzt. Zu diesem Zweck wird sich etablierter Verfahren aus der Farb- und Lackherstellung bedient, die durch im Vorhaben neu einzuführende Prüfmethoden der Qualitätsbeurteilung ergänzt bzw. damit kombiniert werden. Die Resultate sowie Erfahrungswerte werden im Sinne eines Wissensmanagements dokumentiert, analysiert, unter den Projektpartnern kommuniziert und gegebenenfalls nachgeschalteten Optimierungsschleifen zugeführt.

Blue2Value ist als vorwettbewerbliches Forschungsvorhaben angelegt. Gemäß dieser Herangehensweise gilt es, einen experimentell untermauerten Erkenntnisstand zu erlangen, welcher eine Abschätzung für die grundsätzliche herstellungstechnische Machbarkeit eines perspektivisch vermarktungsfähigen Farb- und Lackproduktes auf Basis der Naturfarbstoffe Phycocyanin und Phycoerythrin zulässt. Somit nutzt Rhenocoll die Chance, dank der notwendigen Zuwendung sowie via Kooperation mit einem forschungsstarken Partner innerbetriebliche Kompetenzen auf- respektive auszubauen, um Potenziale für neue und nachhaltige Produkte auszuloten.

Darüber hinaus soll das Vorhaben einen wichtigen Beitrag zur regionalen Industrieforschung leisten. Dazu tragen insbesondere Synergieeffekte mit den Hochschulen Kaiserslautern und Tier bei, die nach Abschluss des Vorhabens eine fortgeführte Kooperationsperspektive eröffnen. Ferner bieten die aus dem Vorhaben resultierenden Erkenntnisse, zusammen mit dem Proof of Concept, wichtige Anknüpfungspunkte für die Einführung einer Green Economy nach dem Prinzip von Cradle to Cradle, d. h. mit rückführbaren Rohstoffen/Recyclaten zur Installation geschlossener Stoffkreisläufe.

Indies sind für die anvisierte wirtschaftliche Anschlussfähigkeit, während einer auf Blue2Value folgenden zwei- bis dreijährigen industriellen Vorbereitungszeit, zusätzliche Funktionalisierungen und Qualitätssteigerungen an dem Vorprodukt erforderlich. Gleichzeitig müssen Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit, sowohl bei der Farbstoffgewinnung als auch hinsichtlich einer industriellen Produktion, optimiert werden. Mittel- bis langfristig dürfte die wirtschaftlich-technische Eroberung zusätzlicher Anwendungsfelder und Marktsegmente zum Tragen kommen, welche die Wettbewerbsfähigkeit und damit den Arbeitsmarkt in der Region im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig stärken.

Autor: Dr. rer. nat. Tobias Roth, Tandem-Professor

Ecoliance Newsletter

Gerne halten wir Sie über Aktivitäten und Veranstaltungen des Umwelttechniknetzwerks Ecoliance
Rheinland-Pfalz auf dem Laufenden. Melden Sie sich hierzu einfach zu unserem Newsletter an.